Entsprechend ist der goldene Nimbus ("Heiligenschein") zu deuten; als symbolisches Konzentrat göttlicher Herrlichkeit, die dem Betreffenden gnadenhaft verliehen ist, ein Symbol, durch das seine "Ausstrahlung" versinnbildet wird.
Durch verschiedene Größe der Figuren kann der mittelalterliche Künstler die gestufte Heilsbedeutung der Figuren zeigen. Christus überragt oft alle anderen - das ist nicht als anatomische, sondern als theologische Behauptung zu verstehen! Ebenso gilt: Je ranghöher eine Gestalt ist, umso weniger wird sie von anderen überschnitten ("desavouiert"), selbst in ihrer Erniedrigung. (Þ Bildbeispiel: Hans Hirz, Karlsruher Passion, um 1450) Wenn die Christusgestalt in ihrer Kontur überhaupt einmal (etwa durch die flehenden Hände eines Bittenden) überschnitten wird, so wirkt das infolgedessen besonders eindringlich.
Heutige Sehgewohnheiten lassen nicht-perspektivische Bilder als unkorrekt oder primitiv erscheinen. Damit wird aber das Kunstwollen der Zeit vor der Benutzung perspektivischer Mittel unterschätzt. Mittelalterliche Bilder (und ostkirchliche Ikonen) vermitteln keinerlei Raumillusion, sondern arrangieren die Bildobjekte so, daß ein Maximum an Überblick und Einsicht in die Bedeutung des Dargestellten möglich ist ("Bedeutungsperspektive").