Der Gleichstellung von Bildern mit dem Schriftwort kam damals die allgemeingültige Ästhetik entgegen. Im Griechischen wird dasselbe Wort "graphein" für "schreiben" wie für "malen" gebraucht. Malen galt als eine Form des Umschreibens; das Lineare dominierte gegenüber dem Malerischen. Nur Gott selbst galt als "unumschreibbar" (aperígraptos); aber in Jesus Christus hatte er sich ja selbst "umschrieben" und insofern, und das heißt: nur insoweit schien Gott auch malbar geworden zu sein durch die Inkarnation. So jedenfalls argumentierte das Bilderkonzil von 787.
Herbert Fendrich hat das Verhältnis von alter und neuer christlicher Kunst in ihrem Verhältnis zum Wort folgendermaßen auf den Punkt gebracht: "In der älteren Kunst stehen Bild und Wort in einem engen, auch vom Künstler gesuchten und gewollten Zusammenhang. Das Bild ist eindeutig "Bild zum Text", ohne den Text nicht sachgerecht deutbar. Mengentheoretisch gesprochen: Die Schnittmenge von Text und Kontext im Bereich der Inhalte und Intentionen ist relativ groß. Selbstverständlich sind diese Mengen aber nicht deckungsgleich; trotz vielfältiger Bezüge und Analogien zwischen Bild und Wort sprechen sie doch eine je eigenständige Sprache. Für die Interpetation ist gerade die Spannung zwischen Korrelation und Opposition (Kongruenz/Differenz) besonders fruchtbar. Solche Bilder sind durchaus sachgerecht zu beurteilen und zu bewerten, in dem man nach ihrer Brauchbarkeit fragt: Wie gut leisten sie den "Dienst am Wort", lassen sich anspruchsvolle und aspektreiche inhaltliche Zielsetzungen auf der Linie der Intentionen des Bibeltextes erreichen? Zugleich muß aber auch die unverwechselbare Eigenart des Kunstwerkes mitgesehen werden, das "Anders-Sein", das nicht einfach mit dem Text verrechenbar ist.
Dagegen ist in der neueren Kunst die Schnittmenge von Text und Kontext
deutlich geringer, der Zusammenhang kann sich auflösen, ist vielleicht
nur flüchtig. Wenn die biblische Thematik bewußt aufgenommen
und berührt wird, ist nicht eine allgemeingültige Auslegung im
Sinn eines dogmatischen Schriftverständnisses intendiert. Charakteristisch
sind - um nur einige Stichworte zu nennen - Autonomie, Ablösung von
der ikonographischen Tradition, Fremdheit, Irritation, Provokation, Authentizität,
Subjektivität, Offenheit. Solche Kunst zur Bibel kann selbstverständlich
nicht nach ihrer Kongruenz mit dem Text (oder mit einer verbindlichen Glaubenslehre)
bewertet werden. Die Beurteilung hat in erster Linie - so schwer das ist
- auf künstlerische und ästhetische Qualität ihr Augenmerk
zu richten."